Gardasee – da finden sich viele wieder: Kletterer, Wanderer, Kitesurfer, Windsurfer, Segler, Cabriofahrer, Mountainbiker, Roadbiker, Läufer, Trailrunner, Tagestouristen, Gourmets. Kaum ein Urlaubsziel in der Mitte Europas, das so viele Möglichkeiten in so schöner Landschaft vereint. Der Vorteil verkehrt sich natürlich in einen Nachteil, wenn alle auf einmal kommen. Die Uferstraße, vor allem an der besser befahrbaren Ostseite, wird zum Nadelöhr, weil Kletterer Parkplätze suchen, Surfer Material abladen oder Reisebusse Tagestouristen ausspucken, die die kleinen Gassen der Hafenstädtchen überschwemmen. Über allem schweben die Paraglider über den See, fetzen Kitesurfer und Segler auf dem See, auf den kleinen Strässlein, die sich die ufernahen Berge hinaufwinden rasen Radler mit Italienern um die Wette, die gemeinsam von deutschen Rentnern ausgebremst werden, die aus dem Cabrio aufs Panorama schauen. Wohl dem, der außerhalb der Hauptsaison, moment Hochsaison, unterwegs sein kann. Zurecht hat der geschäftstüchtige Hotelbesitzer am „Lago“ die Saison dreigeteilt: Nebensaison, Hauptsaison und Hochsaison. Die Hauptsaison reicht aufgrund der vielfältigen Erholungsmöglichkeiten am Gardasee vom Mai bis September, davon entfallen Juni, Juli und August auf die Hochsaison. Nebensaison ist nur im März, April und Oktober, November – dem mediterranen Klima auf Seehöhe sei es gedankt. Während oben die Berge noch oder schon weiß tragen, kann man unten bereits in T-Shirt und kurzer Hose unterwegs sein. Ein weiterer Pluspunkt dieser Urlaubsregion.
Leichte Wanderung mit spektakulären Blicken
In Kürze: eine knapp fünfstündige Wanderung weit oberhalb des Gardasees von Malcesine südlich Richtung Cassone an den Waldhängen unterhalb des Monte Baldo Massivs entlang. Die Highlights sind die natürlich die Durchblicke durch den Wald auf den Gardasee und die relative Einsamkeit, verglichen mit den Orten am Ufer. Da ich den Weg als Rundweg zurück nach Malcesine gegangen bin, habe ich die Einsiedelei oberhalb von Cassone nicht erreicht. Der relativ gut ausgeschilderte Weg ist im Prinzip eine einfache Wanderung, hat jedoch ab und zu Steilstücke; außerdem wird aufgrund des unebenen Untergrunds unbedingt festes Schuhwerk und idealerweise Wanderstöcke empfohlen. Der Weg verläuft größtenteils im lichten Laubwald, an sonnigen Tagen im Hochsommer dürfte es heißt werden. Unterwegs gibt es keine Verpflegungsmöglichkeit und keine Quellen. Mein Wanderbericht in voller Länge beginnt hier
Die Strada Panoramica zweigt in südlicher Richtung nach dem Hauptkreisel und Supermarkt in Malcesine links von der Uferstraße ab und geht bergauf den Hang entlang und eröffnet zwischen Häusern, natürlich vornehmlich Hotels und Pensionen, schöne Blicke durch Olivenbäume und Palmen auf den See. Nicht umsonst ist die Straße bei Cabriofahrern und Radlern beliebt. Von der Aussicht profitieren übrigens Früh- und Spätaufsteher gleichermaßen: wenn morgens die Sonne hinter dem Monte Baldo Massiv aufgeht, sind die Steilhänge des gegenüberliegenden Ufers wunderschön beleuchtet; Häuser und Orte wirken wie auf die Hänge geklebt und an klaren, weil windigen, Tagen im Frühjahr oder Herbst lässt sich jedes Detail erkennen. Am späteren Nachmittag und frühen Abend senkt sich die Sonne im Süden des Sees und verschwindet hinter den westlichen Gipfeln der gegenüberliegenden Berge – dieses Schauspiel findet natürlich jahreszeitenabhängig früher oder später statt, wobei jede Jahreszeit ihren Reiz hat. Sofern nicht konturlose, tiefhängende graue Wolken in den Bergen festsitzen, können Wolken- und Wetterstimmungen vor allem gegen Abend den Eindruck noch verstärken; aufkommende oder abziehende Gewitterwolken, durch die die Sonne spitzt, lassen das Panorama dann wie eine Kulisse im Scheinwerferlicht erstrahlen.
Nach der ersten Kehre führt die Panoramastraße über Wiesen und Nutzgärten tiefer in den Talschnitt hinein. Tipp: für Wanderer und Spaziergänger mit gutem Schuhwerk und Trittsicherheit empfiehlt es sich nach den alten Wirtschaftswegen Ausschau zu halten, die die Strada Panoramica kreuzen. Sie sind an vielen Stellen noch mit Flusssteinen gepflastert und verlaufen oft steil zwischen Mauern durch Olivenhaine und zwischen Häusern.Durch die Steilheit und den extrem unebenen Untergrund wird allerdings stabiles Schuhwerk (keine Sandalen!) empfohlen; auch Bergradler empfinden diese Wege offenbar als zu mühsam, mir sind zumindest noch nie welche begegnet.
Wer mag, kann über die Strada Panoramica die Mittelstation der Seilbahn auf den Monte Baldo erreichen; Achtung, wenn es an der Talstation voll ist, kann auch der Zustieg an der Mittelstation dauern. Ebenfalls möglich ist der Rundweg über die Straße oder steilere Wanderwege wieder in den Ort Malcesine; wer sich nicht auf seine Orientierungssinn verlassen mag, sucht sich einfach einen ausgeschilderten Weg aus oder geht auf der Fahrstraße in den Ort.
Abseits der Panoramastraße
Ich bin diesesmal bereits kurz nach der ersten Kehre der Panoramastraße rechts abgebogen und einem schmalen Weg nach einer rot-weißen Markierung gefolgt. Zunächst ist der Weg bergauf noch für Autos befahrbar und führt zu Häusern, die auf einer Art Hochebene zwischen Olivenfeldern stehen. Bald danach wird der Weg schmaler und führt immer weiter bergauf in einen Laubwald aus mittelhohen Bäumen hinein. Vermutlich bedingt durch die Trockenheit der letzten Monate wirkt der Wald Ende September schon recht herbstlich, viel Laub liegt am Boden und durch die gelichteten Äste hindurch spitzt hier und da der See. Andererseits spendet der dichte aber dünn belaubte Wald ausreichend Schatten, um mich vor der Nachmittagssonne zu schützen, an schönen Hochsommertagen mag es hier ganz schön heiß sein. Einige wenige Felsstufen vorbei an Gletscher geschliffene Felsplatten sind problemlos zu überwinden, verhindern aber vermutlich, dass hier allzu häufig Bergradler unterwegs sind.
Ursprünglich war mein Ziel Cassone, der nächste kleine Ort südlich von Malcesine am Ufer. Die Wanderzeit dorthin dürfte vermutlich bei rund zwei Stunden liegen, ohne Rückweg nach Malcesine. Ich entscheide mich jedoch spontan an einer Kreuzung weiter nach oben zu gehen, statt der Beschilderung nach Cassone zu folgen. Der Grund: ich will wenigstens von unten näher an die Steilhänge des Monte Baldo heran. Immer noch geht es durch den niedrigen Laubwald kontinuierlich bergauf; Durchblicke auf das gegenüberliegende Ufer lassen die Höhe erahnen, die man mittlerweile erreicht hat; sie dürfte über der Mittelstation der Seilbahn liegen; erstaunlicherweise ist der Weg immer noch nahezu durchgehend befestigt, mal besser mal schlechter erhalten.
Rund anderthalb Stunden nach dem Start an der Abzweigung von der Strada Panoramica erreiche ich die Malga Fiabio, eine Almfläche mit Zäunen und Stacheldraht und stehe plötzlich an einer T-Kreuzung mit einer offenbar benutzten und gepflegten Schotterstraße. Die Wegweisung für Wanderer weist links nach Malcesine und rechts zum Eremo di San Benigno e Caro. Das interessiert mich: eine heilige Einsiedelei könnte interessant sein. Ich beschließe also noch nicht den Rückweg anzutreten, sondern Richtung Eremo weiterzugehen. Der ausgebaute Weg, besser gesagt die Schotterstraße führt nur leicht ansteigend am Hang entlang, fast wird es eintönig, denn die Umgebung verändert sich kaum, Blicke zum See gibt es nicht mehr, dafür bin ich zu hoch und zu weit weg vom Ufer.
Absolute Ruhe am Gardasee ist möglich
Dabei fällt mir auf, dass es ruhig geworden ist. Denn der Gardasee ist eigentlich kein stiller See; dichter Verkehr auf der Uferstraße, Ausflugsschiffe und Fähren sowie Motorbote sorgen für eine dauerne Lärmkulisse unter Tags. Doch hier oben im Wald herrscht nun nahezu absolute Ruhe. Kaum ein Vogel ist zu hören, meine Schritte sind das einzige laute Geräusch. Da ich auch keine Wanderer mehr getroffen habe, macht mir die Stille nach der Faszination dann auch meine Einsamkeit hier draußen und oben bewusst – das wird verstärkt dadurch, dass die Auto befahrbare Straße ja zeigt, dass sich manchmal Menschen hierher verirren müssen. Offenbar ist der Bereich unterhalb der Felswände Naturschutzgebiet, das zeigen einige Schilder, Absperrungen und die Wegbezeichnung FD (?).
Ich komme immer näher an die vor mir hoch aufragende Felswand heran, als die Straße nach einer kleinen Lichtung plötzlich steil nach links abfällt in ein dunkles Tal an den Fuß der Wand hinein. Auch hier zeigen sich wieder neue und alte, baufällige Befestigungen um die Straße befahrbar zu halten. In dem Fall sogar mit Geländer, da es neben der Straße steil in das Tal hinuntergeht. Meine Erwartung ist, dass sich die Einsiedelei unterhalb der Felswand im Talgrund befindet. Aber ich werde enttäuscht: im kalten, schattigen Wald liegen riesige Felsbrocken, aber sonst kein Hinweis. Wieder bemerke ich die absolute Ruhe, als plötzlich mit lautem Getöse irgendwo Felsbrocken herunterdonnern. Quasi ein Zeichen: Da ich alleine unterwegs bin und es bereits kurz nach drei am Nachmittag ist, beschließe ich, die Wanderung hier abzubrechen und umzudrehen. Die Einsiedelei hebe ich mir für ein anderes mal auf; verbunden mit dem Vorsatz, das nächste Mal Karten auf dem Handy (Orux Maps wollte ich immer schon mal ausprobieren) oder eine klassische Wanderkarte mitzunehmen (lag zu Hause im Regal, zeigte dort, dass ich vermutlich nur wenige hundert Meter vor der Einsiedelei umgedreht habe).
Für den Rückweg entschied ich mich, nicht den gleichen Weg zu wählen, sondern an der oben beschriebenen T-Kreuzung geradeaus Richtung Malcesine zu marschieren. Die Straße zog sich lange durch den eintönigen Wald; kurz bevor ich eine Lichtung erreichte, führte die Straße an einem Hochspannungsmasten vorbei, der mit rostroter Schutzfarbe bemalt war. Dieser Hinweis ist wichtig, erlaubt er doch später beim Blick von unten festzustellen, auf welcher Höhe ich gelaufen bin (Spoiler: es führen zwei Leitungstrassen unterhalb des Monte Baldo Massivs entlang, die mit den roten Masten ist die Höhere).
Steiler Abstieg
Der nächste rote Hochspannungsmast stand schließlich am Rande einer Wiese auf der ein verfallenes Bauernhaus mit kleinen Wirtschaftsgebäuden steht. Noch hält das Dach, aber es sieht nicht so aus als würde irgendjemand die Wiesen, Obst- und Nussbäume noch aktiv bewirtschaften, am höchsten Haus weit und breit. Der Blick ist jedoch atemberaubend, steht das Haus doch auf einer kleinen Erhebung in Mitten der Wiese. So blickt man über den niedrigen Wald von hier auf die komplette Länge des Sees: von Süden bis Norden. Noch wundere ich mich, dass sich hier noch kein „König vom Gardasee“ das Filetstück gesichert und in eine Villa mit Pool etc. umgebaut hat.
Wenig später wird mir allerdings klar, warum hier oben kein Gardasee-Tourist seinen Zweitwohnsitz aufgeschlagen hat: eine extrem lange und steile Straße schlängelt sich durch den Wald bergab. Jetzt, bei Helligkeit und Trockenheit kein Problem zu befahren, aber bei Regen und in Dunkelheit sicher nur mit Ortskenntnissen und Allradfahrzeug zu bewältigen. Steine und Erde sowie ausgetrocknete Rinnen auf der Straße zeugen davon, wie es hier wohl bei schlechtem Wetter aussieht. Auch für mich als Fußgänger ist die Strecke abwärts trotz fester Bergschuhe beschwerlich, im steilen Schotter auf der Straße rutscht man weg. Nachdem man das steilste Stück hinter sich gelassen hat, verläuft die Schotterpiste durch den Wald: Staub überall neben der Straße zeigt, dass es schon lange nicht mehr geregnet hat. Erste Durchblicke auf die Höhen hinter Malcesine erlauben mir eine Orientierung, so dass ich ungefähr einschätzen kann, wohin mich der Weg führt. Ich komme bei gepflegten Häusern aus dem Wald auf eine Straße und lande schließlich oberhalb des Hotels Panorama wieder auf der Strada Panoramica, einige Kehren oberhalb von der Abzweigung von der ich gestartet bin.
Insgesamt eine wunderbare knapp fünfstündige Wanderung bei flottem Tempo ohne längere Pausen. An heißen Tagen sollte man genug zu trinken mitnehmen, da es an den südseitigen Hängen vermutlich recht heiß werden kann. Bei feuchtem Wetter würde ich noch mehr zu festem Schuhwerk raten und auch Wanderstöcke empfehlen. Die Strecke ist nicht gefährlich, aber an manchen Stellen steil und ein Ausrutscher mit verstauchtem Knöchel oder Schürfwunden, kann den Spaß verderben. Ich werde die Einsiedelei bei Gelegenheit nochmal in Angriff nehmen, mit dem Ziel die Runde in Cassone zu beenden. Falls jemand die Tour schon gemacht hat, freue ich mich hier über Kommentare.