Als ich die Anfrage von Reporter ohne Grenzen bekam, das Jahrbuch „Fotos für die Pressefreiheit 2022“ in meinem Blog zu bewerben, sagte ich spontan zu. Schließlich gehöre ich tatsächlich schon länger zu den Unterstützern der Organisation und habe das Jahrbuch auch mehrfach gekauft bzw. die Produktion via Crowdfunding unterstützt. Wenn ich nun einen Beitrag dazu verfassen soll, stellt sich für mich die Frage nach dem Warum. Warum habe ich eigentlich für Reporter ohne Grenzen, RSF, Reporters Sans Frontieres, gespendet.

Wo die Antwort gefühlt selbstverständlich erscheint, wird es umso schwerer, sie in konkrete Worte zu fassen.

Was Gutes tun, wem, warum? Für mich stand bereits in früher Jugend fest, dass ich irgendetwas machen will, was heute „Irgendwas mit Medien“ heißt. Insbesondere Tages- und Wochenzeitungen übten auf mich einen besonderen Reiz aus. Niemand geht ins Kaffeehaus, um Fernsehen zu schauen oder Radio zu hören (außer zum gemeinsamen Fußball gucken). Aber im Kaffeehaus sitzen und die Welt Revue passieren lassen, kann man – oder vielmehr konnte man, als ich jung war – nur mit der gedruckten Zeitung.

Noch heute, beruflich gesehen auf der anderen Seite des Schreibtischs als Kommunikationsberater (Offenlegung 😉), unterliege ich der Faszination „News“, die mich seit meinem Radiovolontariat nicht mehr losgelassen hat. Angefangen hat das als Volontär mit dem Sprint zum Fernschreiber, wenn das laute Klingeln eine Eilmeldung der dpa ankündigte, das war 1989/90 zu Zeiten der Wende in der DDR und in anderen Staaten des damaligen Ostblocks oft der Fall. Mit dabei zu sein, wenn Nachrichten gemacht werden, aktiv dazu beitragen, was die Medien berichten, hat für mich heute noch einen starke Faszination – einige nenne das bereits Newsjunkie, da ist, im Zeitalter von Twitter und Live-Streaming, sicher etwas dran.

Wie mein Journalismus los ging

Intensive Fotos und tiefgehende Texte im Fotobuch für die Pressefreiheit der Reporter ohne Grenzen; Fotos von einem Fotografen, der anonym bleiben will, aus Myanmar. (Foto und Titelfoto: RSF/Zeitdeck)

Dabei spürte ich früh die Einflussnahme, die auch in Deutschland auf Journalisten wirkt. Untersuchungen zeigen, dass mehr als zwei Drittel aller Nachrichten im weitesten Sinne auf PR-getriebene Anlässe zurückgehen, nur ein Drittel aller Berichte kommt unbeeinflusst zu Stande (oder waren es sogar 80 Prozent, die Quelle finde ich leider trotz Recherche nicht mehr, wer etwas dazu weiß, gerne Kommentar oder Mail an mich).

Ich erinnere mich an meinen ersten Einsatz als Außenreporter, als ein Kleinflugzeug in ein Wohnhaus gestürzt war. Voller Stolz hatte ich bereits auf dem Weg zum Unglücksort den (natürlich unautorisierten) O-Ton eines Notarztes aufgezeichnet, als sich plötzlich eine väterliche Hand von hinten auf meine Schulter legte und der oberste Polizeipressesprecher zu mir sagte: „Sie sind also der Neue. Dann zeige ich Ihnen mal, wie das hier läuft. Bleiben Sie einfach ganz nahe bei mir.“ Von da an gabs nur noch offiziell zugelassene O-Töne (und tags drauf staunte ich immer, was die B-Zeitung alles wusste).

Auch die Parteien ließen sich nicht lumpen: war der SPD-Stadtrat in der Morgensendung mit einer Stellungnahme zum Wohnungsmangel vertreten, rief pünktlich um 10 die CSU an, um sich für die Mittagssendung einzubringen. Wir in der kleinen Redaktion fanden das weniger aufdringlich oder gar einflussnehmend, sondern vielmehr praktisch: der erste O-Ton für Mittag war schon im Kasten, die Hörer bekamen den Eindruck einer ausgewogenen Berichterstattung. Ehrlich gesagt: ob das stimmte, was uns die PR-Strategen von Rot und Schwarz da übermitteln ließen, haben wir nicht hinterfragt. Dazu hatten wir weder die Expertise, noch die Zeit (weder für die ausführliche Berichterstattung noch uns die Expertise anzueignen).

Der traum von absoluter Freiheit und Objektivität

Mehr als nur schnelle Lektüre: 100 Seiten Bilder und Texte für die Pressefreiheit; hier Fotos von Fatima Shbair aus dem Gazastreifen. (Foto: RSF/Zeitdeck)

Diese beiden Anekdoten aus den Anfängen meines Journalismus sollen nur zeigen, dass es mit der oft geforderten absoluten Freiheit und Objektivität im Journalismus nicht so weit her ist – zumindest sollte man sich der Kluft zwischen den Sonntagsreden und dem Tagesgeschäft bewusst sein. Dieses Bewusstsein für die Abhängigkeit und Zwänge in denen sich Journalismus auch in Deutschland befindet, sollte unbedingt Teil der Medienkompetenz sein, die viel zu wenig vermittelt wird.

Dabei geht es uns in Deutschland noch sehr gut: immer noch, wenn auch nur knapp, befinden wir uns auf der Rangliste der Pressefreiheit in den oberen zehn Prozent. Die skandinavischen Länder führen, aber vor uns liegen auch Länder, die man hier in punkto Pressefreiheit vielleicht nicht vermuten würde, wie Jamaika und die Seychellen.

Ich denke, weil es uns so gut geht, ist es auch unsere Verpflichtung, denjenigen zu helfen, denen es weniger gut geht – das gilt natürlich nicht nur für den Journalismus. Wer, wie ich, gelernt hat, ohne staatliche Einflussnahme journalistisch zu arbeiten, ohne inhaltliche Vorgaben von Chefredakteuren, Verlegern oder gar Zensoren, der weiß dieses Gut vermutlich gar nicht zu richtig zu schätzen. Medien sind trotz aller sozialen Netzwerke noch immer bedeutend bei der Bildung von Meinung und Öffentlichkeiten, darum unterliegen Journalisten, wie oben beschrieben, immer der Einflussnahme. Unsere Aufgabe in einem freien Land ist es, das zu erkennen und dafür zu sorgen, dass die Medien und ihre Macher frei bleiben. Die Zwänge im redaktionelle Tagesgeschäft – Zeitdruck, mangelnde Aus- und Weiterbildung, Einflussnahme von PR und Lobbyisten, zu wenig redaktionelle Mitarbeiter, Vermischung von Werbung und Redaktion, Unterstellungen und Fake News – werden nicht weniger.

Gegen das Vergessen – für die Freiheit

Titelseite der aktuellen Ausgabe: Afghanen hoffen mit den Evakuierungsflügen aus Kabul vor den Taliban flüchten zu können. (Foto Marcus Yam / Los Angeles Times / Getty Images, zur Verfügung gestellt von RSF / Zeitdeck)

Darum ist es wichtig, dass es eine Organisation gibt, die das immer wieder ins Bewusstsein ruft. Darum ist es wichtig, dass man sich als Medienschaffender bewusst ist, wie es in anderen Ländern der Welt aussieht. Darum ist es auch wichtig, dass RSF auch Kampagnen startet, die bewusst einzelne Journalisten (und journalistisch arbeitende Blogger), die Opfer von Einflussnahme, Unterdrückung oder gar Gewalt wurden, in den Mittelpunkt stellen. Denn besser als im Slogan „Keine Freiheit ohne Pressefreiheit“ kann man es fast nicht ausdrücken – die Pressefreiheit ist ein wesentlicher Indikator für die Freiheit einer Gesellschaft. Ist die Pressefreiheit bedroht, sind auch andere Freiheiten bedroht.

Wer wissen will, was auf der Welt los ist, in punkto Pressefreiheit kommt um das Angebot von RSF nicht herum. Ein bildmächtiges und informatives Kompendium dafür sind die „Fotos für die Pressefreiheit“, die ich unabhängig von dieser unbezahlten Werbung auch dieses Jahr wieder mit dem Crowdfunding unterstützt habe. Mittlerweile ist das aktuelle Buch auch im RSF-Shop verfügbar für 16 Euro zuzüglich Versandkosten.

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