Facebook Newswire – auf der Suche nach Relevanz
Für Menschen, die am Samstag Vormittag in der Stadtmitte von Wien unterwegs waren, sicher von hoher Relevanz. Ich, in München, habe es eher zufällig auf Twitter gesehen. Viel gibt das Video nicht her. Aber immerhin bis Sonntag Abend (jetzt) fast 1.400 Mal geteilt, darunter wohl auch von der österreichischen Nachrichtensendung Zeit im Bild gesendet.
###
Die Einführung von Facebook Newswire sorgte wieder Mal für ein von Facebook ausgelöstes kurzes Zucken bei Journalisten und sonstigen Medienmachern. Ein extra Stream nur für Journalisten, kuratiert von Journalisten.
Die oft wiederholte Interpretation lautete, Facebook möchte es Journalisten einfacher machen, berichtenswerte Ereignisse auf Facebook zu finden bzw. über Facebook zu erhalten. Dafür hat Facebook extra die „Social-Media-Nachrichtenagentur“ (oder wie will man es nennen?), Storyful eingeschaltet. Dort wird offenbar Facebook durchleuchtet und berichtenswerte Ereignisse auf FBNewswire geteilt.
Neben der Arbeit im Auftrag von Unternehmen ist ein Tätigkeitsschwerpunkt von Storyful wohl die Verifizierung und Lizensierung von Social-Media-Inhalten.
Für Journalisten oder doch für alle?
Mit einem Klick auf „gefällt mir“ ist man dabei, unabhängig davon, ob man Journalist ist oder nicht. Damit befindet man sich im aktuellen Dilemma, bekannt von Newsrooms, Presseseiten und Akkreditierungsformularen. Wenn alle die Informationen erhalten, wie adressiert man dann noch exklusiv Journalisten bzw. wofür ist das überhaupt notwendig?
Letztendlich ist doch Facebook selbst das Medium. Nur es fällt halt schwer bei über 40.000 Posts pro Sekunde, den Überblick zu behalten bzw. ihn überhaupt erst zu bekommen.
Deshalb bedarf es nämlich weiter an Journalismus: Quellen finden und kennen; deren Glaubwürdigkeit beurteilen, die Relevanz der Information einschätzen und in Zusammenhänge stellen können.
Die Welt oder nur die westliche?
Hat Storyful, die „Facebook-Nachrichtenagentur“, Zugriff auf spezielle News-Algorithmen des sozialen Netzwerks? Oder wie finden die die News in den Milliarden Posts? Auch wenn US-Unternehmen ihr Land immer für den Nabel der Welt halten, gehört zu Relevanz auch lokale Nähe. Wie soll die hergestellt werden? Wie überprüft Storyful Quellen in Wien (siehe Video), Kuala Lumpur und Wladiwostok – bisher gibt es lokale Büros nur in Dublin, New York and Hong Kong (Afrika zum Beispiel fehlt komplett)?
Aktuell bietet FB Newswire hier (noch?) nicht viel: Allgemein bekannte Ereignisse der „Nachrichtenlage“, wie die Heiligsprechung der Päpste, der Malaysia Besuch des US-Präsidenten, wenig Ukraine, dazwischen Waldbrände, Schneestürme und Tornados in den USA. Für Berlin wird der Tränengaseinsatz der Polizei bei Demonstrationen gegen einen Neonazi-Aufmarsch gemeldet; Quellenangabe: „wurde auf den Account eines Antifa-Aktivisten hochgeladen“ – wenn das schon Verifikation sein soll…!?
Auch ein interessantes Dilemma ist, dass soziale Netzwerke offenbar die Inhalte klassischer Medien brauchen, um ihre Relevanz und Glaubwürdigkeit bei den Nutzern zu erhöhen, andererseits deren Totengräber sind. Ob FBnewswire da hilft? Spannender als FBNewswire finde ich die Fragen, wann Facebook von den klassischen Medien Geld für die Verbreitung deren News haben will. Bzw. umgekehrt, wann das LSR auch für Facebook greift…
Also ist auch FBNewswire ein verzweifelter Versuch von Facebook, relevant zu bleiben oder zu werden.
Vor lauter Werbung und Apps und Spielen geht das Soziale des Netzwerks plötzlich verloren. Vor lauter Ablenkung sehe ich meine Freunde nicht mehr. Interaktives, multidimensionales, Fernsehen ohne Freunde. Einzige Relevanz sind vielleicht noch Nachrichten. Damit man als Werbeträger interessant bleibt. Und natürlich in den klassischen Medien mal auftaucht: „Quelle: Facebook“, nicht Internet. Punkt für die PR-Abteilung – mehr erst Mal nicht würde ich sagen.