Endlich wieder ein Barcamp in München, endlich hatte auch ich Zeit, dabei zu sein. Angeblich ist es fünf oder gar sechs Jahre her seit dem letzten Münchner Barcamp. Wer das diesjährige Barcamp erlebt hat, weiß, was in den Jahren gefehlt hat. Als re:publica Fanboy muss ich sagen: noch ein, zwei Bier nach dem ersten Tag und es wäre auf seine Art schon ganz nah dran gewesen. Die Veranstalter, die straff und engagiert durch die zwei Tage führten, melden 62 Sessions und rund 200 Teilnehmer.
Klar, die Location, im neuen Microsoft Deutschlandsitz in Nordschwabing, fast ironisch #officemitwindows genannt, war perfekt, fast zu perfekt. Allzu gerne lümmelte man in den bequemen Stühlen in den Business-Besprechungsräumen, schlimmstenfalls saß man den weichen Teppichboden oder ergatterte einen Sitzsack im Atrium; harter Betonboden oder Loft-Atmosphäre Fehlanzeige – eigentlich eher weniger schlimm.
Microsoft München – ideale Barcamp Location
Dafür konzentrierte sich die Veranstaltung mit 200 Teilnehmern auf eine klar abgegrenzten Bereich – Raum war ausreichend da, aber leider nicht genug Räume, um alle Sessions abzuhalten. Dennoch, eine perfekte Location, zumal die Kantine auf der anderen Seite des Atriums Platz für die Mittagsverköstigung bot. Kantine und Kaffeebar sind unter der Woche übrigens öffentlich zugänglich. Am Barcamp-Wochenende servierte die Lekkerei dort für uns: ausreichend, nahrhaft und lecker.
Verpflegung Topp – aber nicht nachhaltig
Im Übrigen lässt sich Microsoft in München-Schwabing auch in fünf Minuten von der nächsten Straßenbahnhaltestelle erreichen; dort habe ich aber keine der Nachhaltigkeitsfans getroffen, die gegen den Kaffeesponsor gewettert haben. Den Veranstaltern war deutlich anzumerken, dass sie mit den Müllmengen selbst unzufrieden waren. Aber ethisch korrektes Sponsoring ist eine Herausforderung; warum glaubt man Nespresso nicht, dass sie die Kapseln und Plastikbecher wirklich recyclen. Das System ist nun mal praktisch, wie das Auto. Ebenso wie das Mymüsli zum Frühstück aus dem Plastikbecher; Alternativen dafür müssen erstmal gefunden und dann auch noch zum Sponsoring überredet werden. Der Kaffee war übrigens kostenlos, bzw. wie die gesamte Verpflegung, Morgens, Mittags, Kuchen im Preis inbegriffen. DANKE (auch an die weiteren Verpflegungssponsoren wie Aqua Monaco).
Fun Fact am Rande: Der Nespresso wurde auf dem Barcamp gar nicht aus Kapseln erzeugt, sondern aus flachen Plastik(?)-Pads. Auf meine Frage, was der Unterschied zur Kapsel sei, wurde mir von der Nespresso-Dame geantwortet „gar keiner“. Einziger Vorteil bei Maschinen, die in Unternehmen stehen: Mitarbeiter kommen nicht in Versuchung, Kapseln für den Privatbedarf nach Hause mitzunehmen.
Apropos Sponsoren und Barcamp
Nun bin ich nicht ganz fachfremd und frage mich doch, wer der eine oder andere Sponsor war und warum er meinte, ein Barcamp sponsoren zu müssen. Der Flughafen München war Gold Sponsor, dafür hat er ein Dankeschön verdient. Aber mehr als ein Roll-up war nicht zu sehen; sucht der Flughafen Software-Entwickler, wollte er sich als Arbeitgeber präsentieren oder…? Bekanntheit kann es beim Flughafen ja nicht gewesen sein…? Trotzdem oder erst recht gibt es dafür ein fettes Danke.
Ich bin der Meinung, wenn wir schon aus Plastikbechern Kaffee trinken, muss auch den Sponsoren ein klein wenig mehr Zeit eingeräumt werden. Es liegt an den der Veranstaltern gemeinsam mit ihnen, ein Format zu finden, das beide Seiten befriedigt. Aber die reine „Logopräsenz“, wenn ich gar nicht weiß, wer sich hinter dem Logo verbirgt, bringt dem Sponsor wenig zählbares.
Pro-Tipp für Barcamp Sponsoren: einen Mitarbeiter vorbeischicken, der eine Session anbietet; damit kann man sich am Barcamp einfach am beliebtesten machen. Microsoft hatte auch hier wieder die Nase vorn und nicht nur Gebäude, Pappbecher und USB-Ventilatoren gestellt, sondern auch eine Session über Community Engagement bei Microsoft angeboten, so geht’s. [Update: Rhode & Schwarz Careers war am Sonntag auch mit einem Mitarbeiter auf dem Barcamp, der eine thematisch passende Session zu Internet der Dinge in der Messtechnik anbot; ebenfalls lobens- und erwähnenswert natürlich.]
Lob auch an den Zeitschriftensponsor brandeins, sie waren die Einzigen, die die aktuelle Ausgabe geliefert haben. t3n und Wired lieferten Altpapier aus 2016, schade, Chance nicht genutzt – dann darf man sich als Sponsor auch nicht beschweren.
Sessionplanung: Qual der Wahl für Teilnehmer und Orgas
Meine Sessions bekommen durchweg die Noten Eins bis Zwei. Dabei stellte sich wieder heraus, wie gut das Barcamp-Prinzip funktioniert: wer für eine Sache brennt, bringt sie auch rüber. Es muss keine geschliffene Powerpoint sein, kein maßgeschneidertes Kostüm und kein Rhetorikschüler. Viele Impulse entstanden in der Diskussion. Auch hier zeigte sich wieder, dass der „Anbieter“ einer Barcamp-Session weder Vollnerd, noch Präsentationsprofi sein muss, sondern am Besten Moderator mit einem Überblick über sein Fachgebiet oder Hobby; oder in manchen Fällen auch nur Impulsgeber, während ein anderer die Moderartion übernimmt.
Mein Barcamp am Samstag
Am Samstag lernte ich zunächst, wie Ironblogger-Kollege Wilfried Hoge mit einem Chatbot für den Facebook Messenger experimentiert. Dabei ging es eigentlich darum, grundsätzlich zu verstehen, wie ein Chatbot gebaut werden kann, und was dafür notwendig ist – leider verstanden offenbar einige die Session als Hands-On-Schulung um gleich ihren Whatsapp-Chatbot zu bauen. Das kann eine 45-minütige-Barcamp-Session allerdings nicht leisten. Wilfried verwies deshalb auf seine entsprechenden Blogbeiträge.
Frage dich, was du tun kannst, nicht immer nur über Ämter meckern, war mein Motto bei der Auswahl der zweiten Session. Unter dem Titel „Tür auf“ fragten zwei Münchner Stadtbeamte aus dem E-/Open-Government-Projekt , welche Erfahrungen es mit der digitalen Verwaltung gibt und was man verbessern könnte. Angenehm war, dass die Teilnehmer versuchten, jeweils auch Positivbeispiele zu zitieren. Aber es stellte sich schnell heraus, dass Unübersichtlichkeit des Ämterangebots und individuelle Einzelfälle im Zusammenspiel zu Verwirrung und Verzögerung bei Verwaltungsvorgängen führen. Letztendlich gefiel mir der Vorschlag am Besten, eine digitale Vorprüfung vorzunehmen, bei der man erfährt, welche Unterlagen man für seinen Fall tatsächlich braucht. Muss man für den Amtsakt tatsächlich in die Behörde, fehlen keine Dokumente und der Fall ist quasi schon gelöst. Das Engagement der beiden Moderatoren bewundere ich, die in der Stadtbürokratie digitale Initiativen umsetzen sollen. Sie warteten auch gleich noch mit einem Terminhinweis auf für das Barcamp #MucGov17 Digitale Stadt – Ideen, Projekte, Apps am 29. April. (Update: auf dem Münchner IT-Blog haben die Initiatoren der Session auch einen kompletten Post zur Session mit Querverweisen auf das Barcamp veröffentlicht.)
Die dritte Session des Tages wurde irgendwie zu meiner liebsten: Zwei Software-Entwickler, u.a. die dickelippe, entschließen sich, den Neubau eines Nachbargebäudes, vom Aushub der Baugrube bis zur Fertigstellung, von ihrem Büro und benachbarten Gebäuden zu filmen um daraus ein Timelaps, eine Zeitraffer-Aufnahme, zu erstellen. Mit viel Selbstironie und Understatement erfuhren die Zuhörer dabei, dass das Timelaps wohl eher Anlass war, um sich eine komplexe IT-Infrastruktur mit drei verteilten Raspberrys, zentraler Datenspeicherung und komplexen Management aufzubauen. Die Hürden, Neudeutsch: Fails, von Netzteilen, die Wetterschwankungen nicht vertrugen, bis zu Vögeln, die Kameraarme als Landeplätze benutzten, bot die Session jede Menge Amüsantes, einschließlich der Schilderung der verzweifelten Versuche, eine individuelles Gehäuse selbst per 3D-Drucker zu erstellen. Achja, den ersten Timelaps-Film gabs zum Schluss tatsächlich auch. [Update: die Session wurde übrigens von zwei Mitarbeitern von BörseGo, einem der Barcamp-Sponsoren gehalten; während der Session wurde das nur anfänglich sehr kurz erwähnt, darum habe ich es vergessen, aufzuschreiben.]
Die dritte Nachmittags-Session trug den schönen Titel: The Good, the Bad and the Ugly – dabei sollte es um WordPress Themes gehen. Letztendlich ein gelungener Meinungsaustausch über Vor- und Nachteile selbst entwickelter, bezahlter und kostenloser Themes. Für professionelle Blogs wurden selbst entwickelte Themes empfohlen (von der Anpassung bestehender wurde abgeraten); engagierte Blogger sollten sich Bezahlthemes überlegen oder bei der Auswahl kostenloser Themes genau auf Anzahl der Installationen und Bewertungen achten. Themes mit geringen Download-Zahlen und wenig Bewertungen lassen den Schluss zu, dass sie nicht gut sind. Wie wichtig ein wirklich einzigartiges Theme ist und welcher Aufwand für Design und Layout vs. Content betrieben wird, muss wohl jeder Blogger für sich selbst entscheiden. Die Session initiiert hatte Marius Kauer.
Auf Neuland wagte ich mich in der letzten Session des Tages. Unter lauter Programmierern wollte ich hören, wie diese sich vorstellen, dass Programmieren gelehrt wird. Letztendlich waren sich alle einig, dass der Technologiestandort Deutschland endlich eine agilere Bildungspolitik braucht, die Informatik und Programmierung in die Lehrpläne schiebt. Nils fing während der Session an, eine Liste zu schreiben, in der alle Initiativen aufgeführt sind, die es dazu gibt. Spannend waren die Erfahrungen einzelner Teilnehmer, die berichteten, dass manche Inder Deutschland für ein Entwicklungsland in Sachen Programmieren halten. Schön zu sehen war, dass in der Runde alt und jung einträchtig nebeneinander diskutierten. Das zeigte, dass die Grenzen des Machbaren wohl eher im Kopf, weniger im Alter begründet liegen.
Bacamp für alt und jung, aber (fast) ohne Bier
Das war überhaupt ein positives Merkmal dieses Barcamps, dass die Altersverteilung recht breit gestreut war, von 16 bis 66 würde ich sagen, ohne jemandem, alt oder jung, böses tun zu wollen.
Gerne hätte ich am Ende des ersten Tages noch ein, zwei Bierchen getrunken und mit anderen Barcampern noch den ein oder anderen Gedanken weitergesponnen. Doch offenbar waren wir gezwungen das #officemitwindows umgehend nach der letzten Session zu verlassen – schade. Ich meine auch nicht, dass ein aufwändiger Abendevent zwingend gefehlt hat (viele wollen auch einfach nur nach Hause oder andere Freunde in München treffen). Aber einen Ausklang des Tages hätte ich mir schon gewünscht. Ob das 100-Euro-Awesome-Ticket mit anschließendem Essen im Hard-Rock-Cafe dafür die Lösung ist, wage ich zu bezweifeln.
Sonntag Barcamp München nochmal
Nach der Sessionplanung am Sonntag, zu der noch mehr Vorträge als am Samstag angeboten wurden, beschäftigte ich mich wieder damit, „wie Deutschland das Programmieren lernen kann„. Diese Session entstand auf Initiative von Nils Hitze und [Update: Maximilian] (Namen leider vergessen, sorry) aus der Session des Vortages, sozusagen, um konkreter zu werden. Während die parallele Session des Braindoktors vermutlich aus allen Nähten platzte, waren wir nur zu Viert, später zu Sechst; dafür durfte ich auch den Calliope Mini, den Schulcomputer schon mal persönlich kennen lernen. Es entsponn sich trotzdem eine interessante Unterhaltung, bei der es auch um Themen wie Weiterbildung im Beruf und lebenslanges Lernen ging.
Nach dem Mittagessen nutzte ich die Chance, mit jemandem zu diskutieren, der öffentlich eingesteht, mal Drogen genommen zu haben. In seiner Partyzeit konsumierte er jede Menge unterschiedliche Drogen, meistens um „gut drauf“ zu sein und „durchfeiern“ zu können. Interessant war, etwas über die Wirkungen der unterschiedlichen Substanzen zu erfahren. Ob mir die berichteten Erfahrungen helfen, den Umgang mit Drogen bei anderen verhindern zu können, weiß ich nicht. Einig waren sich alle Teilnehmer, dass eine teilweise Legalisierung von Drogen die Kriminalität und Gesundheitsrisiken eindämmen würde; auch, dass Alkohol und seine Folgen gesellschaftlich akzeptiert sind, wurde kritisch diskutiert.
Meine letzte bcmuc-Session war Breslau. Die Kulturhauptstadt 2016 scheint eine Reise wert; ein sympathischer Zug von Torsten Maue, einen Städtetrip vorzustellen, der einem gefallen hat.
Danach nutzte ich endlich die Gelegenheit, eine Besichtigungstour durch das #officemitwindows zu machen. Bei einem Software-Unternehmen gibt es normalerweise wenig zu sehen, aber der Ansatz von Microsoft, auf feste Arbeitsplätze im Büro zu verzichten und ganz auf Vertrauensarbeitszeit- und Arbeitsort zu setzen führt zu spannenden Lösungen. Lounge-artige Treffpunkte für den kreativen Austausch, Besprechungsräume, die sich selbst wieder freigeben, wenn sich nach 10 Minuten niemand darinnen bewegt, Telefonkabinen, die nicht länger als eine Stunde belegt werden dürfen. Alles in allem sieht es eher wie in einem Hotel für Fleißige aus, weniger wie in einem Büro (das könnte aber auch am Leerstand des Wochenendes gelegen haben).
Ende gut, Barcamp gut
Das Ende ging auch wieder flott; nach Dank an Teilnehmer und Sponsoren und ein paar Feedbacks der Teilnehmer räumten wir das Gebäude recht schnell; fleißige Teilnehmer, Helfer und Orgas hatten die meisten Reste schon beseitigt.
Insgesamt ein super Barcamp in München: tolles Wochenende, tolle Themen, super Organisation, nette und inspirierende Teilnehmer; das muss nächstes Jahr erst mal von jemandem getoppt werden.
PS: Nächstes Mal wünsche ich mir wieder ein schlichtes T-Shirt. Es reicht, wenn ein deutlich lesbarer Hashtag mit Jahreszahl drauf ist: #bcmuc 2017 und ich würde sogar Sponsorenlogos akzeptieren (s.o.)
Weitere Blogger, die über das Barcamp München berichten
Zunächst die Organisatoren:
Nils auf seinem und Johannes auf seinem Blog.
Und dann:
- Robert von Bavarian Geek
- Katrin auf Storyblogger
- Irene im Maxvorstadtblog
- Thomas im Spirofrog-Blog
- Beate auf Visionhochdrei
- Mikka mit seinen Nachgedanken
- Emmerich mit seinen Mindmaps
- Auf dem Mucbook
- Daniela über Schwurbeln und Blockadefreiheit
Sollte ich jemanden übersehen haben, bitte ich um Nachricht, ich ergänze gerne.
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