Für den Bergsteiger mit hochalpiner Langstreckenerfahrung klingt der Titel sicherlich langweilig. Für den Münchner Freizeitwanderer ist es aber nach dem ersten Schneefall und bei den kurzen Tagen in dieser Jahreszeit durchaus eine Wanderung, die entsprechende Ausrüstung, zügiges Voranschreiten und vor allem einen guten Orientierungssinn erfordert, wie sich zeigen wird. Damit die Strecke trotzdem Spaß macht, haben wir einen Hüttenaufenthalt eingeplant:
Die Rauhalmhütte (gesprochen Rauh-Alm nicht Rau-Halm-Hütte) ist eine Alpenvereinshütte, die ab ca. Mitte Oktober, nachdem die Kühe ausgezogen sind, als Selbstversorgerhütte für Wanderer, Schitourengeher und Schneeschuhwanderer genutzt wird. Ironblogger-Kollege Andreas hatte übrigens ziemlich genau vor einem Jahr einen Beitrag über die Hütte veröffentlicht. Während er allerdings den ersten dünnen Neuschnee im letzten Jahr beschreibt, hatte es wohl dieses Jahr schon einmal 60cm Neuschnee dort oben.
Anfahrt und auf den Hirschberg
Doch zunächst, wie sind wir dort hingekommen:Ganz einfach von München via BOB (Bayerische Oberlandbahn) nach Tegernsee und von dort mit dem Bus nach Scharling. Am Ortsende geht es zu den Hirschbergliften, die noch ziemlich abgebaut sind und dann im ersten Drittel steil die Schipisten bergauf. Dieser Weg bis auf den Hirschberggipfel ist auf dem Blog „Vom Wendelstein bis zur Benediktenwand“ bereits gut in Fotos dokumentiert. Auf der Rauheckalm haben wir uns einen Balkon mit Tisch für die Mittagsrast im kühlen Wind gesucht, bevor es auf den Hirschberggipfel ging.
Während des Rückwegs haben wir dann angestrengt nach dem ausgeschilderten und kartierten Weg von der Rauheckalm Richtung Weidbergalm gesucht und sind dann leider einem Kuhsteig gefolgt. Nachdem wir fast schon umdrehen wollten, sahen wir schließlich 30 Meter unter uns den richtigen Weg. Der erste steile Abstieg im unwegsamen Gelände war nötig. Auch der folgende Weg erwies sich als sehr wenig begangen, glitschig nach dem ersten Schneefall, aber schneefrei, bis auf die Reste eines kleinen Lawinenfelds, das wir querten. Ein kleines Teilstück musste richtiggehend erklettert werden.
Kaum Markierungen und nur noch zwei Stunden hell
Hier zeigte sich auch schon, dass abseits der stark begangenen Hauptrouten Schilder und Markierungen Mangelware sind, andere Wanderer natürlich auch. Hilfreich war schließlich ein Jäger auf der Weidbergalm, der uns den weiteren Weg erklärte, „alles auf Forststraßen, kein Problem“. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr, unsere Ausrüstung und unseren Zustand erklärte er: „Ihr schaffts das schon, in zwei Stunden seids drübn.“ Da war es schon halb vier, also würden wir es bis zum Einbruch der Nacht schaffen können, Forststraßen zu folgen sollte nicht so schwierig sein.
Schnellen Schrittes ging es dann auf gut ausgebauten Forststraßen Richtung Schwarzentennalm bergab. Dabei blickten wir immer auf die imposanten Kulissen von Roß- und Buchstein mit der Tegernseer Hütte dazwischen.
Eine Abkürzung hatte uns der Jäger noch empfohlen. Auch diese litt unter dem ersten Schneefall und war leider sehr sumpfig. Sie brachte uns aber an der Kreuzung heraus, auf der die steile Forststraße am Gegenhang laut Wegweiser in 1 1/4 Stunden bis auf die Raualm führen sollte – da waren wir aufgrund des Wandertempos auf den Schotterpisten dem Zeitplan noch gut voraus.
Im immer dunkler werdenden Tannenwald stieg die gut ausgebaute Straße steil bergan, monoton, aber dafür schnell an Höhe gewinnend. Frische Fahr- und Fußspuren im Schnee ließen uns nicht daran zweifeln, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen hatten. Auch der letzte Blick auf die Alpenvereinskarte bestätigte uns. Doch knapp eine halbe Stunde vor der kalkulierten Ankunft auf der Hütte endete die Straße in flachem Gelände plötzlich an einem Bach. Bis auf die Wendespuren des Schneepflugs war kein Weg mehr zu erkennen; nicht auf der anderen Flußseite und nicht links und rechts der Straße, die wir gekommen waren. Dazu muss man sagen, dass hier im Waldschatten schon eine geschlossene Schneedecke lag. Wo der Fehler war interessierte eigentlich nicht mehr, wichtiger war, schnellstmöglich die Hütte zu erreichen, denn es war quasi finster. Wir versuchten im Licht der Stirnlampen uns nochmal anhand der Karte zu orientieren, konnten aber nicht feststellen, ob wir einen Abzweig verpasst hatten oder der Weg einfach ohne Brücke auf der anderen Flussseite weitergeht – von Schildern oder Markierung sprachen wir da schon lange nicht mehr.
In der Dunkelheit am Wasserfall vorbei durch den Wald
Da die Karte den Weg rechts vom Fluss beschrieb und wir vage Spuren rechts von der Straße auszumachen glaubten, schlugen wir uns in den Wald. Dort mussten wir uns erneut durch sumpfiges und teilweise steiles Gelände kämpfen, das links von uns stark abschüssig zum Bach hin war. Dabei war nicht klar, ob wir tatsächlich einem Weg folgten oder eher der Hoffnung, einen Weg erkennen zu wollen. Links von uns rauschte der Bach, einmal bildete er sogar einen tosenden Wasserfall, dessen weiße Gischt in der Nacht im Licht der Stirnlampen leuchtete. Immerhin sahen wir vor uns das Ende des Waldes, da der Himmel in der sternklaren Nacht sich heller hinter den Bäumen abzeichnete. Das war unsere Hoffnung, von dort wieder Orientierung oder gar einen Weg zu finden. Bald wurde unsere Hoffnung belohnt, denn knapp rechts über uns konnten wir die Böschung einer befestigen Straße ausmachen.
Ein Licht und nur noch paar Meter bis Oskar
Diese verlief sich zwar auf einem Schneefeld außerhalb des Waldes doch noch einer kurzen Querung desselben standen wir plötzlich wieder auf einer geräumten Straße und vor einem Wegweiser, der nach rechts Richtung Schwarzentennalm wies. Preisfrage war nun, ob sich die Rauhalm links oder rechts von uns befindet. Nun kam uns ein Licht zu Hilfe, das links von uns durch die Bäume schimmerte – das musste nun die Ansammlung Hütten sein, die sich Rauhalm nennen. Nichts wie hin, noch eine Furt überquert und durch ein paar angefrorene Schneeflecken durch, bis uns ein erster Hüttenbewohner beim Holz holen begegnete. Der nur halb freundlichen und halb hilfsbereiten Auskunft konnten wir entnehmen, dass es sich aber nicht um die gesuchte Alpenvereinshütte handelt, diese stand noch zwei Hütten weiter.
Endlich auf der Rauhalm-Hütte der Sektion München-Oberland des Alpenvereins angekommen empfing uns eine fröhliche Runde und der Duft von Schweinebraten. Hüttenreferent Oskar hatte für seine Stammgäste im Holzofen gekocht. Was für eine unerwartete Überraschung nach unserer Odyssee durch die Nacht. Außerdem befindet sich im Keller der Alm ein umfangreiches Getränkelager, das keine Wünsche (diverse Biere, Weine, Säfte, Wasser) offen lässt. Oskar ist darüberhinaus ein perfektes Beispiel dafür, wie die Unzulänglichkeiten einer Selbstversorgerhütte im Winter optimal geregelt werden. Für alles gibt es eine Lösung und für alles einen Tipp und für alle gab es Schweinebraten, auch für uns obwohl wir ja nur Hüttengäste waren. Dank des auf Niedrigtemperatur lange gegarten Schweinebratens erwies sich auch die Temperatur im Matrazenlager im ersten Stock als erträglich, und erhöhte so den Schlafkomfort, der piccobello und komfortabel ist. (Achtung: es war reiner Zufall, dass Oskar da war, er ist nicht immer auf der Hütte!)
Fließendes Wasser gibt es auf der Hütte nicht, aber einen Brunnen mit dem per Schlauch durchs Fenster ein großer Behälter im Küchenbereich des Gastraums gefüllt wird. Daher ist Katzenwäsche angesagt und warmes Wasser gibt es morgens sowieso erst, wenn der Holzofen richtig eingeheizt wurde – eilige Kaffeetrinker werden hier schon mal auf eine Geduldsprobe gestellt.
Um Oskar, den Hüttenreferenten und „seine Hütte“ kennen zulernen, lohnt sich ein Blick in Film, den der DAV als „Bedienungsanleitung“ für die Hütte anbietet:
So halfen wir nach dem Frühstück noch die Reste des Abends spülen, während sich unsere Schuhe draußen in den warmen Strahlen der Morgensonne noch die letzte Trocknung holen konnten.
Dann ging es weiter, hoch auf das Seekarkreuz, praktisch direkt hinter der Hütte, bei perfektem blauem Novemberhimmel. Da ich kein Bergkenner bin, kann ich nur beschreiben, dass der Anblick der überzuckerte Alpen bei strahlendem Sonnenschein beeindruckend war. Zum Greifen nahe lag gegenüber das Brauneck, das ich gerade noch erkenne. Auch die Zugspitze zeichnete sich klar in der Ferne ab… ansonsten fragen Sie bitte jemanden, der sich auskennt.
Problemloser Abstieg nach Lenggries
Der Abstieg Richtung Lenggries war dann quasi Routine, sumpfig, aber sonnig und kurz vor der Lenggrieser Hütte etwas vereist im Schatten. Auf dem steilen Grasleitensteig abwärts hatten wir mit erheblichem „Gegenverkehr“ zu kämpfen. Doch auch hier baut die Forstverwaltung offenbar gerade eine Schotterstraße, so dass Wandergruppen auch nebeneinander gehen können. Beim Blick zurück konnten wir erkennen, dass sich der Gipfel des Seekarkreuzes dementsprechend deutlich füllte. Gut, dass wir schon am Abstieg waren.
In der Ebene angekommen geht man noch ca. 30 Minuten bis zum Bahnhof Lenggries, an dem einen stündlich die BOB erwartet, um Richtung München zu kommen. Auch wenn das Bahnhofscafe am Wochenende geschlossen hat, so gibt es doch die Straße hinunter nach dem Alpenfestsaal 300 Meter weiter eine Konditorei mit hervorragendem Kuchen und Cappuccino für den würdigen Abschluss dieser herrlichen, aber nicht ganz unaufregenden Novemberwanderung.
Fazit: So schön kann November sein. Zum Glück waren wir mit ordentlichen Bergschuhen (Sumpf, Schnee), warmer Kleidung (Sonne-Schatten-Wechsel, Wind, kalte Nacht), Stirnlampen (frühe Dunkelheit) und Stöcken (teilweise) ausgerüstet. Und nächstes Mal werden wir wohl doch eine BOB früher fahren, zumindest um diese Jahreszeit, in der es so früh dunkel wird.