Powerstation of Art – große Räume für große Kunst in Shanghai
Alle Jahre wieder – immer das Gleiche, nie dasselbe: auch dieses Jahr weilte ich aus privaten Gründen wieder für einige Tage in Shanghai. Den Abschluss bildete wieder ein Besuch in der Powerstation of Art, die ich wirklich jedem nur einigermaßen kulturinteressiertem Shanghai-Besucher ans Herz legen kann. Ich habe dies auch vor einem Jahr in diesem Blog getan, auch damals im Rahmen der Blogparade von Tanja. Der diesjährige Besuch zeigt aber, wie wichtig es ist, sich nicht nur auf den ersten Eindruck zu verlassen. Deshalb nutze ich auch dieses Jahr wieder Tanjas Blogparade um meine Eindrücke zu schildern.
Während ich im letzten Jahr die relativ einsame Ausstellung zeitgenössischer chinesischer Künstler beschrieb, zeigt die Ausstellung diesmal Werke von Cai Guo-Qiang (nur noch bis 26.10.2014). Den Namen kannte ich bisher nicht – ich bin halt kein Experte für Feuerwerk und Schießpulver. So viel sei schon verraten: Cai Guo-Qiang hat das Feuerwerk zur Eröffnung der Olympischen Spiele 2008 in Peking komponiert (das Amateurvideo von den Proben (!) gibt einen guten Eindruck, die offizielle Großprojektion in der Ausstellung hat natürlich für noch mehr Gänsehaut gesorgt).
Eingangshalle in die Powerstation of Art, Oktober 2014
Als mir meine Shanghaier Freunde sagten, dass die Austellung sehenswert sei, weil der Künstler Gemälde in Wandgröße mit Schießpulver macht, konnte ich mir gar nichts darunter vorstellen. Auch in der Eingangshalle war von der Schießpulverkunst nur wenig zu sehen, empfangen wurde man von eine kleinen Kutter, der vollgeladen mit Tierpuppen mitten Raum stand. Das zeigt, dass der Künstler durchaus noch mehr macht als nur Bilder mit Krach und Lärm.
Ich verzichte hier darauf, Details seine Künstlerbiografie nachzuerzählen. Wikipedia oder eben seine eigene Webseite geben da inhaltlich profundere Hinweise, als ich sie mir erlauben kann. Ich will hier nur in Kürze meine Eindrücke schildern und die Bilder, die zeigen, welche Dimensionen das Museum hat und welche Installationen sich dort verwirklichen lassen.
Der Künstler selbst hat auch die moderne Vermarktungsmaschine für sich entdeckt. Kameras und Reporter begleichten seine spektakulären Events, die offiziellen Filme davon sind höchst professionell. Ein Schießpulvergemälde entstand direkt in der Powerstation of Art, im Film davon sieht man Zuschauer den Moment der Explosion auf ihren Smartphones festhalten. Die ausgestellten Ergebnisse sind aber auch ohne Krach-Bumm toll anzusehen.
Für einen Konzeptkünstler wie Cai sind die Möglichkeiten in einem ehemaligen Kraftwerk natürlich unerschöpflich. In einem riesigen Raum lies er eine Wanne in den Betonboden stemmen, die 20.000 Liter Tinte aufnimmt, die unaufhörlich von der Decke in die sprüht. Der Bauschutt wurde an den Seitenwänden angehäuft. Der Raumeindruck der durch den schwarzen See entsteht ist beeindruckend.
Auch Deutschland fehlt in der Sammlung der von Cai bedachten Länder nicht. Anlässlich einer Ausstellung in der Deutschen Guggenheim im Jahr 2006 und inspiriert von seinen Besuchen in Deutschland schuf er eine Installation mit Wölfen, die vergeblich versuchen, eine Glaswand zu überwinden, daran prallen, zurücktaumeln und es wieder von vorne versuchen. 99 täuschend echte Wölfe bilden einen dynamischen Kreislauf in einem riesigen Saal.
Den Abschluss des beeindruckenden Rundgangs bildet der Weg durch den Hinterausgang in den Schornstein der Powerstation. Angebracht an der Zwischendecke schwingt hier an langen Schnüren eine Schaukel, auf der drei Baby-Puppen sitzen. Durch den riesigen, kahlen Saal und die symmetrische Beleuchtung entsteht bei den Zuschauern fast ehrfürchtiges Schweigen.
Ich habe das Museum ganz anders erlebt, als beim letzten Mal:
Während ich vor einem Jahr den Eindruck hatte, das die Kunst alleine gelassen wurde, war ich diesmal von der Menge der Besucher überrascht. Menschen jeden Alters und kleinen und großen Gruppen drängten sich geradezu vor den Objekten. Zum Glück fasst das riesige Museum all die Massen.
Auch wenn Cai mittlerweile wieder vom Staat akzeptiert ist, so ist seine Kunst keinesfalls als völlig unkritisch zu bezeichnen: die Wölfe, die unermüdlich versuchen, eine unsichtbare Wand zu überwinden; die Arche Noah, die übrigens über den Fluss und mit Feuerwerk nach Shanghai gebracht wurde, appelliert mit dem siechenden Panda-Bären, sich mehr um die Umwelt zu kümmern; die als Schießpulver-Bild nachempfundene berühmte Bund-Promenade (gegenüber der Wolkenkratzer) wird ohne Menschen, aber mit vielen Tieren gezeigt. Wer sich auf eine Interpretation einlässt, wird also durchaus zum Nachdenken angeregt, auch in Shanghai, der Stadt des Geldes und der Laster. Im Übrigen: gegenüber im China Museum of Arts, dem noch größeren Expo-Pavillon Chinas, gibt es natürlich auch echten sozialistischen Realismus, dazu bei nächster Gelegenheit mehr. Und wer lieber nach Galerien und Künstlern sucht, die es (noch) nicht so groß haben, dem sei die Moganshan Lu empfohlen, die meine Ironblogger-Kollegin Alexandra als ihren Kultur-Tipp für Shanghai ausgewählt hat.
Anmerkung: die Exponate wurden von mir zu privaten Erinnerungszwecken fotografiert. Die Fotografien sind nicht als bzw. für kommerzielle Kopien gedacht (wozu sie qualitativ, zumindest in meinem Sinne, auch nicht geeignet sind) und kommen auch hier lediglich privat zum Einsatz.
Lieber Markus,
stimmt – dein Eindruck von der Power Station of Art liest sich dieses Mal anders als vor einem Jahr. Es hat sich scheinbar viel getan oder warst du zu einem anderen Zeitpunkt als noch 2013 dort?
Der Künstler ist spannend. Ich kann mir schon vorstellen, dass er zieht, da seine Kunst bzw. der Schaffensprozess spektakulär ist, vermutlich Event-Charakter besitzt und dadurch fasziniert.
Ich finde es klasse, Shanghai von dir und von Alexandra so facettenreich geschildert zu bekommen – merci dafür!
Herzlich,
Tanja
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sehr spannend, was die chinesen nicht alles für künstler hervorbringen. jetzt bin ich schon neugierig auf den sozialistischen realismus nebenan, den ich trotz des konsum-laster-geld-gucci-louis-vuitton-feelings zumindest in den museen als omnipräsent erlebt habe!
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