Mit den Bläsergruppen auf der Bühne und dem hoppsenden Publikum vor der Bühne avancieren Balkan-Popper, Indie-Brasser und sonstige Spaßbläser offenbar zu den Vorbildern auch der bayerischen Blaskapellen von heute. Schön deshalb, dass vor den Toren Münchens, in Eching, die Brass Wiesn stattfand.
Zwei Tage ganz im Zeichen von allem, was Blas- und Spaßmusik ist. Der erste Abend zumindest hielt was die Ankündigungen versprachen und bot einen bunten Bläserreigen durch die Blasmusik der Welt. Den Veranstaltern hätte man besseres Wetter gewünscht, damit mehr Besucher auf das Festival-Gelände am Echinger See gekommen wären. So hatte es aber den Vorteil, dass Gedränge ausblieb, genauso wie Schlangen vor den Verpflegungsständen.
Blasmusik war ja in meiner Kindheit und Jugend verschrien.
Das Hummtata wurde dem Musikantenstadl zugeordnet und der Trachtenverein mit seiner Blaskapelle war eher ein Relikt, das die einheimische Bevölkerung beschäftigte, während die Zugroastn beim jährlichen Volksfest daneben standen und zusahen, vielmehr zuhörten. Doch mittlerweile hat sich das Blatt offenbar etwas gewendet. Blasmusik kann auch für Kinder und Jugendliche „cool“ sein. Und da muss es gar nicht mal um Jazz gehen, der zumindest für mich in manchen Nuancen auch etwas schwer verständlich ist.
Das Phänomen LaBrassBanda: nicht neu, aber aktuell
Der Erfolg von LaBrassBanda mit dem Lied „Nackert“ beim Eurovision Song Contest (Video) mag dafür ein deutliches Symptom sein. Unkomplizierte Spaßmusik gepaart mit lokalen Wurzeln sind das Erfolgsrezept der Band um den mittlerweile prominenten Trompeter Stefan Dettl.
Dabei ist das Rezept so neu nicht. Immer wieder schafften es auch in der Vergangenheit Musiker, die die überlieferte Musik ihrer Heimat mit Elementen des Pop und Rock kombinierten, auch in die Hitparaden. Als Beispiel, ebenfalls aus dem bayerisch-österrreichischen Raum, sei genannt Hubert von Goisern, er seit mehr als 25 Jahren erfolgreich ist. Das Blasmusik mehr sein kann zeigten vor allem Bands aus Osteuropa, besonders vom Balkan – Stimmung heißt bei ihnen nicht zum Äbblwoi schunkeln, sondern die Massen zum Toben zu bringen.
Auf geht’s zur Brass Wiesn
Da ich in einer Firma arbeite, in der Freitag ein voller Arbeitstag ist, kamen wir erst mit der S-Bahn um halb sieben in Eching an. Außer uns wollte offenbar niemand zum Festival und Ausschilderung gab es auch keine. Also machten wir uns zu Fuß auf, immerhin 20 Minuten vom Bahnhof zum See, wo uns leere Parkplätze empfingen. Eine große Außenbühne und ein Bierzelt standen sich gegenüber, kreisförmig darum angeordnet Stände mit Hüten, Jacken und sonstigen Kleidern und sogar ein Frisör. Als wir ankamen beendeten gerade „Die Rainer“ ihren Auftritt im Zelt und das „Alpenblech“ übernahm die Außenbühne, verpasst hatten wir also nur drei Kapellen.
Alpenblech aus dem Allgäu verkörperte mehr die althergebrachte Form der Blasmusik wie Anfangs beschrieben. Ich nenn es mal überheblich ’spießige‘ Blasmusik, also vorstellbar zum Standardtanz bei der Hochzeit im Festsaal des Wirtshauses. Ich vermute, dass die Band auch entsprechend oft dort auftritt, denn die Moderation des Kapellensprechers erinnerte stark an schlechte Witze auf langweiligen Hochzeitsfeiern. Zeitgenossen mit absolutem Gehör und Blasmusik-Connaisseure würden vielleicht behaupten, dass die musikalische Leistungsfähigkeit hoch war – richtiger Spaß war es aber keiner.
Dennoch ließen wir uns unseren Spaß nicht verderben und erkundeten das kleine Festgelände und die Stände. Besonders hervorzuben die Jacken von Legalize Edelweiss und der Frisör von Versus Barbershop im mobilen Salon. Jacken wurden gleich probiert, der Frisör hatte keinen spontanen Termin frei.
Die siebenköpfige Perfect Brass Band, die extra aus Köln angereist kam, zeichnete sich durch eine musikalischen Bandbreite aus, die aber oft eher zum Zuhören, weniger zum Mitmachen animierten.
Einige Stücke gingen oft ins jazzige, sie selbst schreiben auch über sich: „Sie schreien und liebkosen, brodeln und ruhen – Musik der alten Marching Bands paart sich hier mit Polka und Avantgarde, mit Funk, Einflüssen aus aller Welt und mit viel Jazz!“ Das stimmt, mit zwei Schlagwerkern, drei Trompeten, Posaune und Sousafon.
Für „da Blechhauf’n“, mit Wurzeln in der österreichischen Steiermark, waren wir dann pünktlich vor der großen Bühne. Die Bläser-Kombo mit ebenfalls sieben Mann erinnerte manchmal ein wenig an Big-Band-Sound und schaffte dann doch wieder die Kurve zu mitreißenderen Klängen. Schön auch mit der kleinen Schwester des Sousafon, dem Helikon – das auch als Soloinstrument eine gute Figur machte. Trotzdem setzte ich mich auf den mittlerweile freien Frisörstuhl.
Ein vorletztes Mal ging es dann wieder ins Zelt um die Hot 8 Brass Band aus New Orleans zu bewundern – wahrlich bewundern. Acht Musiker völlig unterschiedlichen Körperumfangs, die quasi ohne Pause in ihre Instrumente bliesen oder die Trommel schlugen. Man spürte fast, die Acht sich vom Fleck bewegen wollten, sich auf die Bühne festgenagelt fühlten. Laute stimmungsvolle Blasmusik getrieben von Trommeln, die den Rhythmus deutlich vorantrieben. Zwischendurch immer wieder Soloeinlagen von Trompete über Saxo- und Sousaphon bis Schlagzeug. Einen Eindruck gibt dieses Video.
Insofern sind die Veranstalter auch für die Dramaturgie der Auftritte zu loben. Denn die treibende Musik aus New Orleans war die ideale Basis für Shantel, den man durchaus als „Top Act“ des Abends bezeichnen darf, mit seinem Bucovina Club Orkestar. Entsprechend hatte man auch erstmals an dem Tag das Gefühl, dass es niemanden mehr auf den Sitzen hielt und alle Anwesenden sich vor der Open-Air-Bühne einfanden. Und so begann ein fröhliches Tanzen zu den bekannten Klängen des bestimmenden Balkan-Poppers, Disko Partizani eben.
Den Abschluss bildete Keller Steff mit seiner Band aus dem Chiemgau – wohl, um den Kreis zu schließen, wieder als Hommage an Oberbayern als Ort des Festivals, denn das einzige Blasinstrument zwischen drei Gitarren und einem Schlagzeug auf der Bühne war seine Mundharmonika. Das tat der Stimmung im Zelt keinen Abbruch – abbrechen mussten wir jedoch, um die letzte S-Bahn zu erreichen – wie gesagt, 20 Minuten Fußmarsch und kein Shuttle-Bus. Schee waas – hoffentlich bis nächstes Jahr!